Region: Ostsee → Mecklenburg-Vorpommern → Anklam
Beitrag: Herr Lukasch, Bilder: Otto-Lilienthal-Museum Anklam (Portrait Lilienthal); Anschütz (Bild oben, "Flugbetrieb anno 1893"); Lukasch (Preik Denkmal für Otto Lilienthal in Anklam)
"Der erste Flieger", "the Glider King", mit diesen oder ähnlichen Beschreibungen ist Lilienthal in die Geschichte eingegangen. Er gilt heute als der erste erfolgreiche Flieger der Menschheit. Seine grundlegenden Untersuchungen und Messungen an Modellflügeln sowie seine erfolgreichen Flugversuche von 1891 bis 1896 führten ein Jahrzehnt später zur Verwirklichung des Motorflugs durch die Gebrüder Wright und zur bis heute gültigen Physik der Tragfläche.
Ein genauerer Blick in die Lebensgeschichte Lilienthals fördert Erstaunliches und weniger Bekanntes zu Tage: "Ein klarer Denker und Verwirklichungsmensch" sei er gewesen, "an allen ernsten Kulturbestrebungen seiner Zeit interessiert, und dabei von zartem Gemüt", so heißt es in einem zeitgenössischen Nachruf. Im Otto-Lilienthal-Museum der Stadt Anklam, in der er 1848 geboren wurde, ist beispielsweise verschiedenes Spielzeug ausgestellt. Der Grund dafür ist die Tatsache, dass entscheidende Schritte zum LEGO- oder Fischer-Technik-Baukasten von heute auf das Brüderpaar Otto und Gustav Lilienthal zurück gehen. Der später so genannte Anker-Steinbaukasten ist ebenso eine Lilienthal-Entwicklung wie der 1888 patentierte Modellbaukasten aus gelochten Holzleisten, der Urtyp des Stabil- oder Metallbaukastens.
Auf vielen anderen Gebieten taucht an zentraler Stelle der Name Lilienthal auf. Die Arbeitnehmer-Gewinnbeteiligung, heute aktuelles Thema in Ideen für eine neue Unternehmensarchitektur, vor über 100 Jahren wurde sie in der Maschinenfabrik "Otto Lilienthal" eingeführt. Die Berliner Volksbühne ist ein noch heute existierendes Stück Theatergeschichte. Im angemieteten Berliner Ostendtheater, dem späteren National- und Rose-Theater spielte der Verein Freie Volksbühne Gerhard Hauptmanns "Die Weber". "Vertreter der Direktion" des Theaters war bis zu seinem Tod der Maschinenfabrikant Otto Lilienthal. Mühelos ließe sich die Aufzählung fortsetzen: Pädagogische, soziale, technische und wirtschaftliche Reformprojekte, Häuser und Siedlungen sowie etwa 50 Patente zeugen von Erfindungsreichtum und Humanismus der Brüder Lilienthal. Fast zur Episode gerät vor diesem Hintergrund ein Produkt der Maschinenfabrik, dass so gar nicht in die Palette der Dampfkessel und Kraftmaschinen passt und mit Ausnahme eines jungen Mechanikers reine "Chefsache" blieb: die Erfindung und der Verkauf von Flugapparaten. Diese gingen in verschiedene Länder und sind heute Prunkstücke in den Luftfahrtmuseen zwischen Washington und Moskau. Erst durch den Absturz Lilienthals bei einem Routineflug im Jahre 1896 wurde die Flugzeugentwicklung vorübergehend beendet.
Otto-Lilienthal-Museum in Anklam - mehrfach preisgekrönte Museum in der Geburtsstadt des Flugpioniers.