Region: Ostsee → Mecklenburg-Vorpommern
So beschreibt ein Faltblatt, herausgegeben vom Nationalparkamt, mit wenigen Worten, wie man sich als Betrachter Kranichen nähern sollte. Dieser stattliche Vogel zieht seit Ewigkeiten zweimal im Jahr durch unsere Region.
Der Graue Kranich (Grus grus) ist einer der größten Zugvögel Europas,
denn seine Körpergröße kann sogar bis zu 1,20 m betragen. Seinen Namen
erhielt er nach seinen schiefergrauen Gefiederfarben. Die Farbe des
Kopfes erscheint in schwarz-weißen Tönen. Auffällig ist ein leuchtend
roter, unbefiederter Fleck auf seinem Kopf. Seine Flügelspanne erreicht
2,20 m.
Die Geschlechter unterscheiden sich kaum in Größe und
Gewicht. Männliche Tiere erreichen ein Gewicht von 7 kg, weibliche bis
zu 6 kg.
In der Luft ist der Kranich an seinem Flugstil erkennbar. Es
ist zum einen der lange, vorgestreckte Hals und zum anderen sind es die
langen Beine, die auf einen Kranich hinweisen. Die Beine überragen den
Schwanz beim Fliegen.
Je nach Witterungsbedingungen tangieren ab Mitte Februar die ersten Kraniche auf ihrem Rückflug in die Brutheimat Mecklenburg-Vorpommern. Etwa Ende März/Anfang April fliegen dann die letzten Richtung Norden. So eine Gruppe eintreffender Vögel weist oft nur eine kleinere Anzahl von Kranichen auf. Sie bleiben kurz, eigentlich nur, um vor der Überquerung der Ostsee noch einmal nachzutanken. Bei sehr guten Bedingungen wird auch gleich durchgeflogen, ein Anblick, den man an weiten Strecken der Ostseeküste erleben kann: eine in Pfeilformation hoch am Himmel fliegende Gruppe, die durch trompetenartige Rufe auf sich aufmerksam macht. Bei den zwischengelandeten Kranichen kann man so manches Mal auch schon Balzrituale beobachten, den "Tanz der Kraniche". Dabei schreiten die Vögel umeinander herum, drehen sich oder nicken mit ihren Köpfen. Die Flügel sind eindrucksvoll aufgestellt, um die ganze Pracht ihres Federkleides zu enthüllen. Der Tanz wird lautstark begleitet von trompetenartigen Rufen. Zum Höhepunkt ihres Balzrituals, das mit der Paarung der Kraniche endet, kommt es aber erst im Brutrevier.
Das Brutrevier ist für 80% der hier durchziehenden Kraniche ein Platz in wasserreichen Bruchwäldern, Mooren oder Uferzonen verlandeter Seen in Skandinavien. Für die restlichen 20% sind es Brutplätze in Osteuropa, das heißt in den entsprechenden Lebensräumen des Baltikums oder Polens. In der Regel kehren Kraniche immer an ihre angestammten Brutplätze zurück.
Kraniche sind Bodenbrüter. Sie errichten ihre Nester im feuchten Gelände
mit Wassertiefen zwischen 30 und 60 cm, damit ihre Gelege und später
auch die Jungvögel vor Feinden wie dem Wildschwein oder dem Fuchs sicher
sind.
Ein Kranichnest kann einen Durchmesser von mehr als einem
Meter haben. Es wird aus verschiedenartigsten Pflanzenmaterialien
errichtet und bleibt während des Brutgeschehens ständige "Baustelle".
Nach
29 bis 31Tagen schlüpfen die Jungvögel aus den grün-braun gesprenkelten
Eiern, meistens liegen 2 Eier in einem Nest. Das Elternpaar kümmert
sich abwechselnd um die Brutpflege. Um Nahrung zu suchen, sind sie
gezwungen, sich oft auf ausgedehnte Wanderungen zu begeben. Kraniche
sind Nestflüchter. Die Jungvögel wachsen schnell heran und bereits nach
10 Wochen haben sie die Fähigkeit erworben, längere Strecken zu fliegen.
Kraniche können eine Fluggeschwindigkeit von über 100 km/h erreichen.
Um während des Fliegens Kraft zu sparen, legen sie weite Strecken im
Gleitflug zurück. Die Vögel halten dann eine durchschnittliche
Geschwindigkeit von 60 km/h.
Kraniche ernähren sich als Jungvögel von Insekten, ebenso von Fröschen, Würmern und Schnecken. Später kommen Feldfrüchte, wie Getreide, Mais und Kartoffeln, aber auch Beeren und Knospen hinzu. Ihre Nahrung finden sie in lichten Laub- und Buchenwäldern oder im offenen Grünland. Im Herbst dienen die Rückstände auf abgeernteten Ackerflächen als eine weitere Nahrungsquelle. Mit ihrem eher kurzen Schnabel fressen sie in der Art der Gänse alles, was sich ihnen an der Oberfläche eines Fressplatzes bietet.
Im 3. Lebensjahr sind Kraniche geschlechtsreif. Bereits 1 bis 2 Jahre vor der Reife zur Fortpflanzung gehen sie auf die Suche nach einem geeigneten Brutrevier und beginnen auch, Nester zu bauen.
Mecklenburg-Vorpommern wird ein zweites Mal im Jahr von Kranichen
bevölkert. Vor allem in der Rügen-Bock-Kirr-Region, dem größten
Rastplatz in Mitteleuropa, sammeln sich die Vögel - nun für ihren Zug
nach Süden. Das Gesellige im Verhalten der Kraniche kommt jetzt voll zum
Tragen. Sammelplätze umfassen Gewässer mit Flachwasserbereichen, damit
die Vögel nachts im Stehen relativ gefahrlos schlafen können. Wenn
Feinde sich dem Schlafplatz vom Land her nähern, können Kraniche diese
durch Geräusche, die sie beim Durchqueren des Wassers machen,
wahrnehmen. Beliebte Schlafplätze sind das Windwatt vor Pramort und die
Insel Kirr. Hier rasten pro Jahr so um die 60.000 Tiere.
Mit dem
Nationalpark Vorpommersche - Boddenlandschaft werden die ungestörten
Rastbedingungen der Kraniche gesichert. Zum Fressen fliegen die Tiere
auf das nahe gelegene Festland. Menschen sind als Zuschauer willkommen,
dürfen aber vom Kranich nicht ausgemacht werden können.
Die Mehrzahl der Kraniche zieht Ende Oktober oder Anfang November
weiter. Bei gutem "Flugwetter" kann man wahre Massenstarts erleben. Hoch
oben in der Luft formieren sich die Vögel zu einem Keil. Die erfahrenen
Vögel voran, machen sie sich auf den Weg nach Südeuropa oder sogar
Nordwestafrika (siehe Grafik), wo sie ihre Winterquartiere haben.
Tausende von Kilometern legen sie zurück, um Frankreich, Spanien oder
Portugal zu erreichen. Die Gesamtstrecke vom Brutrevier bis zum
Winterquartier in Südeuropa beträgt zwischen 2.000 und 6.000 km. Eine
Etappeneinteilung ist überlebenswichtig und eben auch der ungestörte
Aufenthalt an den Rastplätzen. Jede Störung bedeutet zusätzlichen
Aufflug der Tiere, bedeutet verlorengegangene Energie.
Kleinere Trupps, die einem milden Winter standhalten, verbleiben auch in Deutschland.
Wenn
Frost die Schlafgewässer zufrieren lässt oder Schnee die Felder
bedeckt, verlassen sie allerdings den gewählten Platz für einige Zeit.
Für die Beobachtung ist am besten der Herbstzug, der sich über viele Wochen hinzieht, geeignet. Da Kraniche zu den tagaktiven Vögeln zählen, morgens und abends am geschäftigsten sind, sind die Chancen gut, diese Vögel bei ihrer Nahrungsaufnahme oder bei ihrem abendlichen Einfliegen am Schlafplatz zu beobachten. Wo kann ich Kraniche beobachten?
Wer noch mehr über das Leben der scheuen und wachsamen Vögel, ihre
Rastplätze und die aktuellen Durchzugzahlen erfahren möchte, sollte
unbedingt das Kranich-Informationszentrum in Groß Mohrdorf, eine Einrichtung vom Kranichschutz Deutschland, besuchen.
Wo immer Sie sich auf Kranichtour begeben, sollten Sie nicht vergessen: Beobachten - ohne zu stören.
Kraniche können Sie in Mecklenburg-Vorpommern im Frühling und im Herbst beobachten. Vorab ein paar Kranich-Impressionen.
Beitrag: Brigitte Hildisch in Zusammenarbeit mit Frau Dr. Helga Konow, Nationalparkamt Vorpommern